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  The Sonnets to Orpheus

  (1923)

  Written as a grave-monument

  for Vera Ouckama Knoop

  Château de Muzot, February 1922

  ERSTER TEIL

  * * *

  I

  Da stieg ein Baum. O reine Übersteigung!

  O Orpheus singt! O hoher Baum im Ohr!

  Und alles schwieg. Doch selbst in der Verschweigung

  ging neuer Anfang, Wink und Wandlung vor.

  Tiere aus Stille drangen aus dem klaren

  gelösten Wald von Lager und Genist;

  und da ergab sich, daß sie nicht aus List

  und nicht aus Angst in sich so leise waren,

  sondern aus Hören. Brüllen, Schrei, Geröhr

  schien klein in ihren Herzen. Und wo eben

  kaum eine Hütte war, dies zu empfangen,

  ein Unterschlupf aus dunkelstem Verlangen

  mit einem Zugang, dessen Pfosten beben,—

  da schufst du ihnen Tempel im Gehör.

  FIRST PART

  * * *

  I

  A tree ascended there. Oh pure transcendence!

  Oh Orpheus sings! Oh tall tree in the ear!

  And all things hushed. Yet even in that silence

  a new beginning, beckoning, change appeared.

  Creatures of stillness crowded from the bright

  unbound forest, out of their lairs and nests;

  and it was not from any dullness, not

  from fear, that they were so quiet in themselves,

  but from just listening. Bellow, roar, shriek

  seemed small inside their hearts. And where there had been

  at most a makeshift hut to receive the music,

  a shelter nailed up out of their darkest longing,

  with an entryway that shuddered in the wind—

  you built a temple deep inside their hearing.

  II

  Und fast ein Mädchen wars und ging hervor

  aus diesem einigen Glück von Sang und Leier

  und glänzte klar durch ihre Frühlingsschleier

  und machte sich ein Bett in meinem Ohr.

  Und schlief in mir. Und alles war ihr Schlaf.

  Die Bäume, die ich je bewundert, diese

  fühlbare Ferne, die gefühlte Wiese

  und jedes Staunen, das mich selbst betraf.

  Sie schlief die Welt. Singender Gott, wie hast

  du sie vollendet, daß sie nicht begehrte,

  erst wach zu sein? Sieh, sie erstand und schlief.

  Wo ist ihr Tod? O, wirst du dies Motiv

  erfinden noch, eh sich dein Lied verzehrte?—

  Wo sinkt sie hin aus mir?… Ein Mädchen fast.…

  II

  And it was almost a girl and came to be

  out of this single joy of song and lyre

  and through her green veils shone forth radiantly

  and made herself a bed inside my ear.

  And slept there. And her sleep was everything:

  the awesome trees, the distances I had felt

  so deeply that I could touch them, meadows in spring:

  all wonders that had ever seized my heart.

  She slept the world. Singing god, how was that first

  sleep so perfect that she had no desire

  ever to wake? See: she arose and slept.

  Where is her death now? Ah, will you discover

  this theme before your song consumes itself?—

  Where is she vanishing?… A girl almost.…

  III

  Ein Gott vermags. Wie aber, sag mir, soll

  ein Mann ihm folgen durch die schmale Leier?

  Sein Sinn ist Zwiespalt. An der Kreuzung zweier

  Herzwege steht kein Tempel für Apoll.

  Gesang, wie du ihn lehrst, ist nicht Begehr,

  nicht Werbung um ein endlich noch Erreichtes;

  Gesang ist Dasein. Für den Gott ein Leichtes.

  Wann aber sind wir? Und wann wendet er

  an unser Sein die Erde und die Sterne?

  Dies ists nicht, Jüngling, daß du liebst, wenn auch

  die Stimme dann den Mund dir aufstößt,—lerne

  vergessen, daß du aufsangst. Das verrinnt.

  In Wahrheit singen, ist ein andrer Hauch.

  Ein Hauch um nichts. Ein Wehn im Gott. Ein Wind.

  III

  A god can do it. But will you tell me how

  a man can enter through the lyre’s strings?

  Our mind is split. And at the shadowed crossing

  of heart-roads, there is no temple for Apollo.

  Song, as you have taught it, is not desire,

  not wooing any grace that can be achieved;

  song is reality. Simple, for a god.

  But when can we be real? When does he pour

  the earth, the stars, into us? Young man,

  it is not your loving, even if your mouth

  was forced wide open by your own voice—learn

  to forget that passionate music. It will end.

  True singing is a different breath, about

  nothing. A gust inside the god. A wind.

  IV

  O ihr Zärtlichen, tretet zuweilen

  in den Atem, der euch nicht meint,

  laßt ihn an eueren Wangen sich teilen,

  hinter euch zittert er, wieder vereint.

  O ihr Seligen, o ihr Heilen,

  die ihr der Anfang der Herzen scheint.

  Bogen der Pfeile und Ziele von Pfeilen,

  ewiger glänzt euer Lächeln verweint.

  Fürchtet euch nicht zu leiden, die Schwere,

  gebt sie zurück an der Erde Gewicht;

  schwer sind die Berge, schwer sind die Meere.

  Selbst die als Kinder ihr pflanztet, die Bäume,

  wurden zu schwer längst; ihr trüget sie nicht.

  Aber die Lüfte … aber die Räume.…

  IV

  O you tender ones, walk now and then

  into the breath that blows coldly past.

  Upon your cheeks let it tremble and part;

  behind you it will tremble together again.

  O you blessèd ones, you who are whole,

  you who seem the beginning of hearts,

  bows for the arrows and arrows’ targets—

  tear-bright, your lips more eternally smile.

  Don’t be afraid to suffer; return

  that heaviness to the earth’s own weight;

  heavy are the mountains, heavy the seas.

  Even the small trees you planted as children

  have long since become too heavy; you could not

  carry them now. But the winds … But the spaces.…

  V

  Errichtet keinen Denkstein. Laßt die Rose

  nur jedes Jahr zu seinen Gunsten blühn.

  Denn Orpheus ists. Seine Metamorphose

  in dem und dem. Wir sollen uns nicht mühn

  um andre Namen. Ein für alle Male

  ists Orpheus, wenn es singt. Er kommt und geht.

  Ists nicht schon viel, wenn er die Rosenschale

  um ein paar Tage manchmal übersteht?

  O wie er schwinden muß, daß ihrs begrifft!

  Und wenn ihm selbst auch bangte, daß er schwände.

  Indem sein Wort das Hiersein übertrifft,

  ist er schon dort, wohin ihrs nicht begleitet.

  Der Leier Gitter zwängt ihm nicht die Hände.

  Und er gehorcht, indem er überschreitet.

  V

  Erect no gravestone for him. Only this:

  let the rose blossom each year for his sake.

  For it is the god. His metamorphosis

  in this and that. We do not need to look

  for other names. It is Orpheus once for all

  whenever there is song. He comes and goes.

  Isn’t it enough if sometimes he can dwell

  with us a few days longer than a rose?

  Though he himself is afraid to disappear,

  he
has to vanish: don’t you understand?

  The moment his word moves out beyond our life here,

  he has gone where you will never find his trace.

  The lyre’s strings do not constrict his hands.

  And it is in overstepping that he obeys.

  VI

  Ist er ein Hiesiger? Nein, aus beiden

  Reichen erwuchs seine weite Natur.

  Kundiger böge die Zweige der Weiden,

  wer die Wurzeln der Weiden erfuhr.

  Geht ihr zu Bette, so laßt auf dem Tische

  Brot nicht und Milch nicht; die Toten ziehts—.

  Aber er, der Beschwörende, mische

  unter der Milde des Augenlids

  ihre Erscheinung in alles Geschaute;

  und der Zauber von Erdrauch und Raute

  sei ihm so wahr wie der klarste Bezug.

  Nichts kann das gültige Bild ihm verschlimmern;

  sei es aus Gräbern, sei es aus Zimmern,

  rühme er Fingerring, Spange und Krug.

  VI

  Is he someone who dwells in this single world? No:

  both realms are the source of his earthly power.

  He alone who has known the roots of the willow

  can bend the willow-branch into a lyre.

  Overnight leave no bread on the table

  and leave no milk: they draw back the dead—.

  But he, the conjuror, may he settle

  under the calm of the eye’s lowered lid

  to mix death into everything seen;

  and may the magic of earthsmoke and rue

  be as real to him as the clearest connection.

  Nothing can trouble the dominance of

  the true image. Whether from graves or from rooms,

  let him praise finger-ring, bracelet, and jug.

  VII

  Rühmen, das ists! Ein zum Rühmen Bestellter,

  ging er hervor wie das Erz aus des Steins

  Schweigen. Sein Herz, o vergängliche Kelter

  eines den Menschen unendlichen Weins.

  Nie versagt ihm die Stimme am Staube,

  wenn ihn das göttliche Beispiel ergreift.

  Alles wird Weinberg, alles wird Traube,

  in seinem fühlenden Süden gereift.

  Nicht in den Grüften der Könige Moder

  straft ihm die Rühmung lügen, oder

  daß von den Göttern ein Schatten fällt.

  Er ist einer der bleibenden Boten,

  der noch weit in die Türen der Toten

  Schalen mit rühmlichen Früchten hält.

  VII

  Praising is what matters! He was summoned for that,

  and came to us like the ore from a stone’s

  silence. His mortal heart presses out

  a deathless, inexhaustible wine.

  Whenever he feels the god’s paradigm grip

  his throat, the voice does not die in his mouth.

  All becomes vineyard, all becomes grape,

  ripened on the hills of his sensuous South.

  Neither decay in the sepulcher of kings

  nor any shadow fallen from the gods

  can ever detract from his glorious praising.

  For he is a herald who is with us always,

  holding far into the doors of the dead

  a bowl with ripe fruit worthy of praise.

  VIII

  Nur im Raum der Rühmung darf die Klage

  gehn, die Nymphe des geweinten Quells,

  wachend über unserm Niederschlage,

  daß er klar sei an demselben Fels,

  der die Tore trägt und die Altäre.—

  Sieh, um ihre stillen Schultern früht

  das Gefühl, daß sie die jüngste wäre

  unter den Geschwistern im Gemüt.

  Jubel weiβ, und Sehnsucht ist geständig,—

  nur die Klage lernt noch; mädchenhändig

  zählt sie nächtelang das alte Schlimme.

  Aber plötzlich, schräg und ungeübt,

  hält sie doch ein Sternbild unsrer Stimme

  in den Himmel, den ihr Hauch nicht trübt.

  VIII

  Only in the realm of Praising should Lament

  walk, the naiad of the wept-for fountain,

  watching over the stream of our complaint,

  to keep it clear upon the very stone

  that bears the arch of triumph and the altar.—

  Look: around her shoulders dawns the bright

  sense that she may be the youngest sister

  among the deities hidden in our heart.

  Joy knows, and Longing has accepted—

  only Lament still learns; upon her beads,

  night after night, she counts the ancient curse.

  Yet awkward as she is, she suddenly

  lifts a constellation of our voice,

  glittering, into the pure nocturnal sky.

  IX

  Nur wer die Leier schon hob

  auch unter Schatten,

  darf das unendliche Lob

  ahnend erstatten.

  Nur wer mit Toten vom Mohn

  aß, von dem ihren,

  wird nicht den leisesten Ton

  wieder verlieren.

  Mag auch die Spieglung im Teich

  oft uns verschwimmen:

  Wisse das Bild.

  Erst in dem Doppelbereich

  werden die Stimmen

  ewig und mild.

  IX

  Only he whose bright lyre

  has sounded in shadows

  may, looking onward, restore

  his infinite praise.

  Only he who has eaten

  poppies with the dead

  will not lose ever again

  the gentlest chord.

  Though the image upon the pool

  often grows dim:

  Know and be still.

  Inside the Double World

  all voices become

  eternally mild.

  X

  Euch, die ihr nie mein Gefühl verließt,

  grüß ich, antikische Sarkophage,

  die das fröhliche Wasser römischer Tage

  als ein wandelndes Lied durchfließt.

  Oder jene so offenen, wie das Aug

  eines frohen erwachenden Hirten,

  —innen voll Stille und Bienensaug—

  denen entzückte Falter entschwirrten;

  alle, die man dem Zweifel entreißt,

  grüß ich, die wiedergeöffneten Munde,

  die schon wußten, was schweigen heißt.

  Wissen wirs, Freunde, wissen wirs nicht?

  Beides bildet die zögernde Stunde

  in dem menschlichen Angesicht.

  X

  You who are close to my heart always,

  I welcome you, ancient coffins of stone,

  which the cheerful water of Roman days

  still flows through, like a wandering song.

  Or those other ones that are open wide

  like the eyes of a happily waking shepherd

  —with silence and bee-suck nettle inside,

  from which ecstatic butterflies flittered;

  everything that has been wrestled from doubt

  I welcome—the mouths that burst open after

  long knowledge of what it is to be mute.

  Do we know this, my friends, or don’t we know this?

  Both are formed by the hesitant hour

  in the deep calm of the human face.

  XI

  Sieh den Himmel. Heißt kein Sternbild ‘Reiter’?

  Denn dies ist uns seltsam eingeprägt:

  dieser Stolz aus Erde. Und ein Zweiter,

  der ihn treibt und hält und den er trägt.

  Ist nicht so, gejagt und dann gebändigt,

  diese sehnige Natur des Seins?

  Weg und Wendung. Doch ein Druck verständigt.

  Neue Weite. Und die zwei sind eins.

  Aber sind sie’s? Oder meinen beide

  nicht den Weg, den sie zusammen tun?<
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  Namenlos schon trennt sie Tisch und Weide.

  Auch die sternische Verbindung trügt.

  Doch uns freue eine Weile nun

  der Figur zu glauben. Das genügt.

  XI

  Look at the sky. Are no two stars called “Rider”?

  For this is printed strangely on us here:

  this pride of earth. And look, the second figure

  who drives and halts it: whom it has to bear.

  Aren’t we, in our sinewy quintessence,

  controlled like this, now raced and now reined in?

  Path and turningpoint. Just a touch possesses.

  New expanses. And the two are one.

  Or are they really? Don’t both signify

  the path they ride together now? But table

  and pasture keep them separate, utterly.

  Even the starry union is a fraud.

  Yet gladly let us trust the valid symbol

  for a moment. It is all we need.

  XII

  Heil dem Geist, der uns verbinden mag;

  denn wir leben wahrhaft in Figuren.